Praxistipp: Wie gestalte ich eine Betriebsvereinbarung inhaltlich?

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Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung ist das wichtigste Werkzeug, wenn es um die Verschriftlichung von Regelungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber geht. Dementsprechend wird so gut wie jedes Betriebsratsmitglied während seiner Amtsperiode mit Betriebsvereinbarungen konfrontiert werden. Aus diesem Grunde einmal ein Überblick über die wichtigsten Eckpunkte einer jeden Betriebsvereinbarung.

I. Präambel

Der erste – häufig vernachlässigte – Punkt einer jeden Betriebsvereinbarung sollte die sog. Präambel sein. Hierbei handelt es sich nämlich nicht um unwichtiges „Vorgeplänkel“, sondern um die Darstellung des Parteiwillens:

„Warum haben sich die Parteien zusammengefunden, um diese Betriebsvereinbarung zu schließen?“

Der Sinn und Zweck der Präambel wird durch einen Blick in die Zukunft deutlich: Sollte die Betriebsvereinbarung zu einem späteren Zeitpunkt einmal Gegenstand einer Gerichtsverhandlung sein und eine bestimmte Regelung ist auszulegen, so findet diese Auslegung grundsätzlich nach dem von den Parteien Gewollten – dem sog. „Parteiwillen“ – statt. Die Präambel hilft dem vorsitzenden Richter bei dieser Aufgabe.

Auch wenn es dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat zum Zeitpunkt des Abschlusses völlig klar war, was diese wollten: Zum Zeitpunkt einer Gerichtsverhandlung (manchmal Jahre später) kann das ursprünglich gewollte schnell streitig werden.

Nicht zuletzt wirken Betriebsvereinbarungen auch häufig über die Amtsperiode eines Betriebsratsgremiums hinaus fort. Das nächste Gremium kann dann bei einem Personenwechsel ebenso nur bedingt eine Aussage zum Parteiwillen vergangener Betriebsvereinbarungen treffen.

Praxistipp Protokollnotiz: Eine Alternative zur Präambel bildet die sog. Protokollnotiz. Diese wird in der Regel auf einem zusätzlichen Dokument geführt und gesondert unterschrieben. Sie dient der Erklärung des Parteiwillens und nimmt speziell auf die einzelnen Regelungen der Betriebsvereinbarung Bezug. Ihr Rechtscharakter ist in aller Regel der einer Regelungsabrede, also gerade keiner Betriebsvereinbarung. Dies ist aber rechtlich gesehen auch ein gangbarer Weg, da sie trotzdem beide Betriebsparteien an die in ihr vereinbarte Auslegung bindet.

II. Geltungsbereich

Ebenso Bestandteil einer jeden Betriebsvereinbarung ist der sog. Geltungsbereich. Dieser unterteilt sich insbesondere in räumlichen und persönlichen Geltungsbereich, d.h. die Frage für welche Personen und wo die Betriebsvereinbarung gelten soll.

Wir lesen in unserer anwaltlichen Praxis immer wieder Formulierungen wie:

„Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter des Standortes Hamburg.“

Auf den ersten Blick erscheint diese Formulierung klar, jedoch gibt es den Begriff „Mitarbeiter“ im Betriebsverfassungsgesetz nicht. Dort wird in § 5 Abs. 1 BetrVG von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gesprochen. Haarspalterei glauben Sie? Dann schauen Sie einmal, wie viele verschiedene Formen der Arbeitnehmerschaft es gem. § 5 Abs. 1 BetrVG gibt:

„Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten, die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten. Als Arbeitnehmer gelten ferner Beamte (Beamtinnen und Beamte), Soldaten (Soldatinnen und Soldaten) sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind.“

Gilt meine Betriebsvereinbarung nun lediglich für alle „Mitarbeiter“, muss ich mich im schlimmsten Fall später darüber streiten, ob davon z.B. auch Außendienstler oder Azubis umfasst sein sollen.

Sparen Sie Ihre Energie für wichtigere Punkte und formulieren Sie von Anfang an sauber:

„Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer/innen i.S.d. § 5 Abs. 1 BetrVG (im Folgenden „Mitarbeiter“ genannt) am Standort Hamburg.“

Auf diese Weise sind nun alle Arbeitnehmer umfasst, für die der Betriebsrat zuständig ist. Nicht mehr und nicht weniger. Einzelne Arbeitnehmergruppen können selbstverständlich trotzdem ausgenommen werden:

                „Ausgenommen hiervon sind …“

III. Spezifische Regelungen

Es folgt nun ein Abschnitt, in welchem Sie spezifische Regelungen zu dem Thema der Betriebsvereinbarung treffen können (z.B. Arbeitszeit, Urlaub, etc.). Dieser Abschnitt kann so viele Paragraphen enthalten, wie Sie benötigen. Jede Betriebsvereinbarung hat hier ihre eigenen Besonderheiten.

Das Internet ist voll von Muster-Betriebsvereinbarungen, doch Vorsicht: Sofern Sie eine Muster-Betriebsvereinbarung verwenden, sollten Sie auf keinen Fall Regelungen übernehmen, bei denen Sie selber nicht wissen was sie bedeuten! Wir folgen hier im Rahmen unserer Beratung dem strengen Ansatz:

„Was nicht erklärt werden kann, fliegt raus!“

Des Weiteren sollte bei der Gestaltung von Betriebsvereinbarung immer daran gedacht werden, dass diese für die breite Belegschaft formuliert werden. So verpflichtet der § 77 Abs. 2 Satz 3 BetrVG den Arbeitgeber gar, die Betriebsvereinbarung an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen. Sie muss also im Betrieb veröffentlicht werden. Dementsprechend sollten Betriebsvereinbarungen auch so formuliert, strukturiert und gestaltet sein, dass ein jeder Kollege sie verstehen kann. Endlose Verweise auf Paragraphen in Spezialgesetzbüchern sind deshalb wenig zielführend, da kaum ein Kollege diese nachschlagen wird.

Man kann sich zur optimalen Gestaltung einer Betriebsvereinbarung auch jeglicher Funktionen moderner Schreibprogramme bedienen und

  • Tabellen,
  • Grafiken,
  • Ampel-Systeme,
  • Präsentationen,
  • Prospekte
  • etc.

einfügen. Alles was der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit dient, sollte willkommen sein.

IV. Schlussbestimmungen

Last but not least muss man sich nun um die Schlussbestimmungen kümmern. Neben der Frage ab wann die Betriebsvereinbarung gelten soll, stellt sich auch die noch etwas wichtigere Frage bis wann sie denn gelten soll bzw. ob und wie diese zu kündigen ist.

Regeln die Parteien hier nichts, so gilt § 77 Abs. 5 BetrVG:

„Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.“

Bei der Frage, wie lange die Betriebsvereinbarung gelten soll, hören wir in der Praxis häufiger den folgenden Satz:

„Na, am Besten so lange wie möglich!“

Dieser Ansatz ist jedoch meist eher suboptimal. Vielmehr sollte die Geltungsdauer als auch eine Kündigungsfrist davon abhängig gemacht werden, welche Inhalte in der jeweiligen Betriebsvereinbarung geregelt wurden. Geht es z.B. um jährliche Einmalzahlungen, so macht eine monatliche Kündigungsmöglichkeit bereits rein logisch nicht viel Sinn. Sollen Leistungen über einen bestimmten Zeitraum ausgeschüttet werden (z.B. Fahrtkostenzuschuss für ein Jahr), so sollte die ordentliche Kündigung der Betriebsvereinbarung für diesen Zeitraum sogar gänzlich ausgeschlossen werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die sog. Nachwirkung. Gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG wirken Betriebsvereinbarungen in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten nach, solange bis eine neue Abmachung getroffen wurde. Diese Nachwirkung kann jedoch auch verkürzt werden. Die Kontroll-Frage sollte bei der Auswahl einer angemessenen Nachwirkungsfrist immer lauten:

„Wie lange benötigen wir hier im Betrieb in der Regel zum Abschluss einer solchen Betriebsvereinbarung?“

Ist dies realistischerweise in sechs Monaten zu schaffen, so kann die Nachwirkung auch auf sechs Monate (oder einen anderen Zeitraum) begrenzt werden. Möchte man die Nachwirkung auf alle Angelegenheiten einer Betriebsvereinbarung (und nicht nur auf die, bei denen eine Einigungsstelle anrufbar ist) erstrecken, so muss man dies ausdrücklich tun:

„Alle Regelungen dieser Betriebsvereinbarung – gleich ob erzwingbar oder nicht erzwingbar – gelten für einen Zeitraum von sechs Monaten nach.“

V. Zusammenfassung

Dieser Artikel soll Ihnen einen Überblick über die Eckpfeiler einer Betriebsvereinbarung geben. Selbstverständlich geht die vollständige Gestaltung von Betriebsvereinbarungen weit über das hier genannte hinaus. Doch bietet diese Übersicht hier ein „Grundgerüst“ an dem sich Arbeitgeber und Betriebsräte „entlanghangeln“ können.

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